Was hilft der Bahn wirklich?

Die Schwächen der DB werden immer offensichtlicher. Züge funktionieren nicht, verspäten sich oder fallen ganz aus – und zwar in einem erschreckenden Ausmaß. Die Knoten sind überlastet, das Netz sanierungsbedürftig. Zugpersonal fehlt. Die Verschuldung übertrifft die selbstgesteckte Marge. So kann das nicht weitergehen. Es muss etwas geschehen. Nur was, darüber streitet Deutschland.

Die reinste Kakophonie

An Ratschlägen von Bahnexperten, insbesondere von selbst ernannten, fehlt es somit nicht. Verkehrsminister Scheuer sprach sogar von „82 Millionen Lokomotivführern in Deutschland“. Ähnlich wie bei den „82 Millionen Fußballtrainern“ beim Fußballspiel denkt jeder, er weiß, wie die Bahn funktioniert. Die einen rufen nach Verstaatlichung, andere wollen Arriva und DB Schenker verkaufen, wieder andere sehen das Heil in autonomen Zügen. Die einen wollen Stuttgart 21, die anderen nicht. Vor Kurzen propagierten die McKinseys sogar noch Personalabbau. Masterpläne werden geschmiedet und verworfen. Die reinste Kakophonie.

Heilige Kuh Gewinnmaximierung

Wie konnte es so weit kommen? Beginnen wir bei der Bahnreform 1994. Die DB sollte „börsenfein“ gemacht werden und Gewinne abwerfen. Das war die Vorgabe der Politik. DB-Vorstände und Verkehrsminister kamen und gingen. Selbst nach der Absage an den Aktienmarkt drehte sich alles um die heilige Kuh Gewinnmaximierung. So wurden mehr als 1 500 Bahnhöfe und die zugehörigen Gleise abgebaut, jede zweite Weiche eingespart. Das DB-Netz ist seit 1994 um rund 7 000 auf 33 400 Kilometer geschrumpft. Hinzu kommt ein milliardenschwerer Sanierungsbedarf der maroden Brücken, Gleise und Züge. Nicht zuletzt wurde das Personal in Deutschland auf 200 000 fast halbiert. Nun fehlen allein 1 200 Lokomotivführer, die 11 000, die in den kommenden zehn Jahren in Ruhestand gehen, noch nicht einrechnet.

Passiert ist das alles unter Anleitung von sündhaft teuren Beratern. Die DB hat mit McKinsey und Co Sanierungsprogramme hoch drei durchgezogen. Wir erinnern uns an RZ 2000, RZ 2000+, Mora C, ZuBa 2017 und wie sie alle hießen. Eine Ausnahme vom Sparzwang bildeten lediglich Hochgeschwindigkeitsstrecken und Luxusbahnhöfe. Die Kosten dieser „Leuchttürme“ sind ohne Ausnahme davon galoppiert. Das aktuelle Desaster ist 10 Milliarden Euro schwer und heißt „Stuttgart 21“.

Fast kaputtgespart

DB-Fernverkehr
Die DB wurde also fast kaputtgespart. Nur noch 70 Prozent der Fernverkehrszüge sind pünktlich, die ausgefallenen Verbindungen nicht eingerechnet. Hinzu kommen defekte Türen, verstopfte Toiletten und Kaffeemaschinen, die nicht funktionieren. Gleichzeitig nimmt die Konkurrenz der Busse zu.

DB Cargo
Auch bei Cargo werden Züge nicht abgefahren. In den ersten drei Quartalen 2018 kamen fast 3 000 Zugtransporte nicht zustande, weil Lokomotivführer fehlten. Aus dem gleichen Grund standen im Schnitt 40 Züge pro Tag still, Lieferungen verzögerten sich. Überhaupt macht der Güterverkehr seit Jahren Verluste – und das in einer boomenden Wirtschaft. Die Konkurrenz zieht davon – auf der Schiene und im intermodalen Wettbewerb. Auf der Schiene hat sich der Marktanteil von DB Cargo seit der Privatisierung fast halbiert.

DB Regio
Die Melkkuh DB Regio kämpft mit dem von der Politik gewollten Wettbewerb bei Ausschreibungen und hat einen Marktanteil von nur noch knapp 60 Prozent. Das liegt aber nicht mehr an niedrigen Löhnen des Zugpersonals, denn diese konnte die GDL fast beseitigen. Die Konkurrenz ist oftmals besser aufgestellt.

Keiner mit Ruhm bekleckert

Entgegen der Sonntagsreden, in denen parteiübergreifend von der Verkehrsverlagerung auf die Schiene gepredigt wird, macht Deutschland immer noch Politik für die Autoindustrie. So fließen seit Jahren mehr Infrastrukturmittel in die Straße als in die Schiene, obwohl ein riesengroßer Sanierungsbedarf besteht. Die Schiene muss ihre Trassenpreise voll erwirtschaften, im Gegensatz zur geringen LKW-Maut. Außerdem wird sie steuerlich benachteiligt. Seit Jahrzehnten haben sich somit weder das DB-Management noch die Politik mit Ruhm bekleckert.

Dass die Misere nicht noch größer ist, lag maßgeblich daran, dass Lokomotivführer und Zugbegleiter den Verkehr flexibel und mit Überstunden auf-rechterhalten haben.

Von Grund auf saniert

Ein System, das jahrzehntelang vernachlässigt wurde, floriert jedoch nicht von heute auf morgen. Schon gar nicht reicht das Herumdoktern an den Symptomen. Das System Schiene muss von Grund auf saniert werden. Es braucht somit kluge Ideen. Es braucht eine realistische Planung, die nachhaltig abgearbeitet wird und es braucht viel Geld.

Personalmangel beseitigen
Zu allererst muss der chronische Personalmangel beseitigt werden. Als einen richtigen Schritt will die DB in diesem Jahr 22 000 neue Mitarbeiter einstellen. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn der Stellenmarkt für die 1 200 fehlenden Lokomotivführer und die vielen Zugbegleiter ist leergefegt. Zu lange wurde Zugpersonal abgebaut, zu wenig ausgebildet und die Arbeitsbedingungen verschlechtert. Mit der Ankündigung, Züge auto-nom fahren zu lassen, schreckt die DB auch noch reihenweise potenzielle Lokomotivführer ab. Nun werben sich die Bahnen das Personal mit hohen Provisionen gegenseitig ab.

Es gibt nur einen Weg, Zugpersonal zu gewinnen: gute Entgelt- und Arbeitsbedingungen.

Zwar hat die GDL die Entgelte in den vergangenen zehn Jahren schon maßgeblich verbessert. Seit sie Tarifverträge selbst schließt, sind die Stundenlöhne um rund 40 Prozent gestiegen. Mit dem jetzigen DB-Tarifabschluss hat sie zusätzlich die Arbeits- und Freizeitplanung erheblich verbessert. Mit „mehr Plan, mehr Leben“ können Lokomotivführer und Zugbegleiter wieder am sozialen Leben teilnehmen. Und auch vor dem autonomen Fahren müssen die Lokomotivführer keine Angst haben, denn auf einem Schienensystem, auf dem Nah-, Fern- und Güterverkehr meist die gleichen Gleise nutzen, ist das noch lange Zukunftsmusik. Und selbst wenn die Lokomotivführer einmal nicht mehr in den Zügen sitzen, müssen diese dennoch gesteuert werden.

Mit Deutschlandtakt: pünktlich ans Ziel

Gleichzeitig müssen die Systemfehler beim Netzausbau beseitigt werden. Das Schienennetz für den Güter- und den Personenverkehr muss konsequent nach einem kapazitätsorientierten „Deutschlandtakt“ ausgebaut werden. Es ist witzlos, mit 300 Stundenkilometern über die Gleise zu sausen und dann eine Stunde auf den Anschlusszug zu warten. Der Fahrgast will bei jedem Wetter sicher und pünktlich ans Ziel. Mit der nach einem Taktfahrplan ausgebauten Infrastruktur klappt das in der Schweiz schon lange.“

GDL fordert Bahnreform II

Damit das auch in Deutschland funktioniert, muss eine Bahnreform II erfolgen. Dazu müssen zunächst DB Netz, DB Energie und DB Station & Service zu einer gemeinnützigen Gesellschaft zusammengefasst werden. Dann braucht es Eisenbahner, die das komplexe Eisenbahnsys-tem wirklich durchdringen, damit der „Deutschlandtakt“ mit gewaltigen Investitionen umgesetzt werden kann.

Es muss endlich Schluss sein mit der Kakophonie. Alle müssen an einem Strang ziehen, damit die Schiene auf Vordermann gebracht wird und die Mobilität in Deutschland erhalten bleibt. Nur ein zukunftsfähiges Eisenbahnsystem sichert dauerhaft Arbeitsplätze für Lokomotivführer und Zugbegleiter.
G. S.

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