Offener Brief an die IG-Metall-Vorsitzende Benner

Nicht die Masse des Körpers ist entscheidend, sondern die Größe des Gehirns!

In einem Offenen Brief an die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner weist der ehemalige stellvertretende GDL-Bundesvorsitzende Günther Kinscher deren Vorwürfe gegen die GDL zurück und deckt ihre widersprüchliche Argumentation auf.

Sehr geehrte Frau Benner,

zunächst möchte ich Ihnen zur Wahl zur Vorsitzenden einer der bedeutendsten Gewerkschaften der Welt recht herzlich gratulieren.

Befremdlich empfinde ich Ihre öffentlichen Äußerungen zur Tarifauseinandersetzung der GDL mit der Deutschen Bahn AG. Sie diffamieren die Verantwortlichen der GDL als „Spalter“ und den Streik als „unsolidarisch“. Ihnen scheint entgangen zu sein, dass der erste Versuch, die Eisenbahner zu spalten, von Ihrer Schwestergewerkschaft EVG unternommen wurde. Sie hatte in einer „unheiligen Allianz“ mit dem Bahnvorstand im Jahr 2002 Ergänzungstarifverträge zu Lasten des Zugpersonals bei den DB Regio-Betrieben unterschrieben. Hier sollten die Beschäftigten unter anderem unbezahlte Mehrarbeit leisten, um nach Ansicht von EVG und Bahnvorstand konkurrenzfähig gegenüber den Wettbewerbern bei Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr zu sein. Gemeinsam mit der EVG wollte der Bahnvorstand die negative Lohnspirale und damit das Lohn- und Sozialdumping bei der Bahn in Bewegung setzen. Dass dieser Tarifvertrag nie zur Anwendung kam, ist allein der konsequenten Haltung der GDL-Mitglieder und Tausender EVG-Mitglieder, die in GDL eintraten, zu verdanken.

Als Vorsitzende der IG Metall sollten Sie doch darüber erfreut sein, dass nunmehr die GDL das Heft des Handelns in die Hand nimmt und die nicht gemachten Hausaufgaben der EVG erledigt. Warum besteht denn ein negatives Delta in den Einkommen von vergleichbaren Bahnberufen mit denen im Metall- und Elektrohandwerk?

Und wenn Sie, Frau Benner, mit dem Finger auf die GDL zeigen, sollten Sie erst einmal vor der eigenen Haustür kehren und dafür Sorge tragen, dass in Ihrem Verantwortungsbereich bei gleicher Tätigkeit auch bundesweit einheitliche Tarifbedingungen herrschen. Die Schere in den Einkommen und bei der Arbeitszeit geht noch weit auseinander.

Hier können Sie von der GDL lernen. Die GDL hat es geschafft, dass in über 90 Prozent der bedeutenden Schienenverkehrsunternehmen Deutschlands einheitliche Tarifbedingungen herrschen (bei wenigen Unternehmen dauert die Angleichung über einen Stufenplan noch etwas) und somit der Wettbewerb über Lohn- und Arbeitszeit eliminiert wurde.

Sie kritisieren unnötige Doppelstrukturen von GDL und EVG bei der Bahn und verbinden die Größe der EVG mit Stärke. Ja, diese EVG hat 180.000 Mitglieder, wobei zirka 60 bis 65 Prozent dieser Mitglieder Rentner und Pensionäre sind. Zieht man dann noch von dem aktiven Anteil Beamte und Mitglieder der Wettbewerbsbahnen ab und verteilt den Rest auf die 300 Betriebe der DB AG, können Sie selbst ausrechnen, welches Streikpotential übrigbleibt.

Jetzt können Sie auch erahnen, warum der Bahnvorstand bei den letzten Streikankündigungen der EVG den Bahnverkehr im vorauseilenden Gehorsam von vorneherein abgesagt hatte. Es sollte niemand in dieser Republik erfahren, auf welch tönernen Füßen diese EVG steht und der Streik zu einer Blamage sich hätte entwickeln können. Das war vom Steuerzahler finanzierte Streikunterstützung!

Es wird auch nach dieser Tarifverhandlung so sein, wie bereits in der Vergangenheit geschehen. Den „Trittbrettfahrern“ der EVG werden die Segnungen der GDL-Tarifabschlüsse auf dem silbernen Tablett vom Bahnvorstand hinterhergetragen.

Ich möchte daran erinnern, dass die IG Metall, der DGB, die Arbeitgeberverbände und die SPD in einer „unheiligen Allianz“ das Tarifeinheitsgesetz auf den Weg gebracht haben und somit die Schärfe in den Tarifauseinandersetzungen mit verursacht haben.

Die GDL-Mitglieder werden es nicht zulassen, dass sie sich den schlechteren Tarifbedingungen der EVG in den vom Bahnvorstand einseitig definierten Mehrheitsbetrieben unterwerfen müssen.

Zuletzt: Meine Definition zur Größe einer Gewerkschaft!

Nicht die Masse des Körpers ist entscheidend, sondern die Größe des Gehirns

Mit freundlichen Grüßen


Günther Kinscher

Stellvertretender GDL-Bundesvorsitzender a. D.

Offener Brief

 

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