Tarifeinheitsgesetz

GDL klagt erneut vor dem Bundesverfassungsgericht

In einer gesetzgeberischen Nacht- und Nebelaktion hat die Bundesregierung das Tarifeinheitsgesetz (TEG) durchgedrückt. Unter dem Deckmantel des „Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung“ (Qualifizierungschancengesetz), das der Bundestag am 21. Dezember 2018 beschlossen hat, wurde § 4a des Tarifvertragsgesetzes, der seit 1. Juli 2015 die betriebliche Tarifeinheit gesetzlich regelt, verändert.

Beweislast wurde umgekehrt

Damit befolgte der Gesetzgeber an und für sich einen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts, das den bisherigen Grundsatz der Tarifeinheit am 11. Juli 2017 teilweise für verfassungswidrig erklärt hat. Das höchste deutsche Gericht stellte unter anderem klar, dass die „Mehrheitsgewerkschaft (die) Interessen der Berufsgruppen, deren Tarifvertrag verdrängt wird, ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigen" muss, um den Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft zu ver-drängen. „Die ernsthafte und wirksame Berücksichtigung" der Interessen muss von den Tarifvertragsparteien der Mehrheitsverträge dargelegt werden. Der Gesetzgeber hat die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts zwar weitestgehend übernommen, jedoch eine ganz maßgebliche Änderung vorgenommen: Nach dem neuen § 4a TEG muss nun die Minderheitsgewerkschaft nachweisen, dass die Interessen ihrer Mitglieder eben nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt sind, womit die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt ist. Aus Sicht der GDL hat der Gesetzgeber damit nicht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts erfüllt. Deshalb hat die GDL in Karlsruhe beantragt, das Tarifeinheitsgesetz ab 1. Januar 2019 für unwirksam zu erklären.

Verletzung rechtsstaatlicher Verfahren

Außerdem kritisiert die GDL das Zustandekommen der gesetzlichen Regelung. Zwar ist es für das gesetzgeberische Verfahren nicht zwingend vorgeschrieben, dass beteiligte Interessengruppen, wie Institutionen, Vereine oder Gewerkschaften angehört werden. Wenn allerdings eine Anhörung stattfindet, müssen – nach rechtsstaatlichen Grundsätzen – alle maßgeblich Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme haben. In diesem gesetzgeberischen Verfahren wurde nun zwar eine Anhörung durchgeführt, und der Gesetzgeber hat Arbeitgeber und Gewerkschaften angehört – jedoch nicht eine einzige Gewerkschaft, die schon im ersten Verfahren Kläger gegen das Tarifeinheitsgesetz war. Weder die GDL, noch der dbb beamtenbund und Tarifunion oder die vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) wurden angehört oder bekamen die Möglichkeit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt. Die GDL sieht damit die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens verletzt und stützt ihre Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auch auf diese Argumentation.

Schon im vergangenen Jahr hat die GDL außerdem Klage vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen das Tarifeinheitsgesetz eingereicht. Der EGMR hat die Klage der GDL angenommen und die Bundesregierung zu einer Stellungnahme aufgefordert.

Dem Gesetzgeber Grenzen aufzeigen

Die GDL geht gemeinsam und abgestimmt mit ihrem Dachverband, dem dbb beamtenbund und Tarifunion weiterhin gegen die willkürliche und rechtswidrige Beschneidung der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit vor. Da die Entscheidungsprozesse so hoher Gerichte jedoch ihre Zeit benötigen, schützt die GDL die Anwendung der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge auf ihre Mitglieder durch sogenannte Grundsatztarifverträge. In diesen wird geregelt, dass der Arbeitgeber die mit der GDL abgeschlossenen Tarifverträge unabhängig vom Tarifeinheitsgesetz individuell auf die Mitglieder der GDL anwenden muss.

Solidarität mit anderen Gewerkschaften

Die Grundsatztarifverträge verhindern somit das Schlimmste, stellen jedoch nicht die Lösung des Problems dar. Die GDL ist mit ihrem starken Organisationsgrad und ihren selbstbewussten und kampferprobten Mitgliedern in der Lage, solche Tarifverträge durchzusetzen. Andere Gewerkschaften jedoch haben diese Gestaltungskraft nicht durchgehend. Die GDL ist hier also solidarisch mit anderen Gewerkschaften dieses Landes. Außerdem müssen dem deutschen Gesetzgeber klar die Grenzen seines Handlungsspielraums aufgezeigt werden. Eine dieser Grenzen ist die Unantastbarkeit der Koalitionsfreiheit in Deutschland. T. G.

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