Historischer Meilenstein
GDL-Ost: 35 Jahre im Rückblick
Die GDL blickt zurück auf ein Stück ihrer eigenen Historie, die zugleich bedeutsam für die deutsche Gewerkschaftsbewegung ist: Vor 35 Jahren fand sich eine Gruppe von 97 mutigen Lokomotivführern aus 39 Dienststellen zusammen, um die erste freie Gewerkschaft in der DDR zu gründen.
Heute jährt sich zum 35. Mal ein bedeutsames Datum in der Geschichte der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL): die Gründung der GDL-Ost im Bahnbetriebswerk Halle am 24. Januar 1990.
Unmittelbar nach der Öffnung der innerdeutschen Grenze wandten sich zahlreiche ostdeutsche Lokomotivführer an die GDL in den alten Bundesländern, um eine unabhängige und fachbezogene Interessenvertretung zu etablieren. Unter der Führung des damaligen GDL-Bundesvorsitzenden Manfred Schell fand sich binnen weniger Tage eine Gruppe von 97 mutigen Lokomotivführern aus 39 Dienststellen zusammen, um die erste freie Gewerkschaft in der DDR zu gründen.
Gegen Bevormundung und Zwangssystem
„Die Kollegen im Osten hatten nach der Wende genug von der jahrelangen Bevormundung und dem Zwangssystem der FDGB-Gewerkschaften“, erklärt Mario Reiß, heutiger Bundesvorsitzender der GDL. „Sie wollten eine echte Interessenvertretung – und genau das haben sie mit der Gründung der GDL DDR, später umbenannt in GDL Ost, erreicht.“
Am 24. Januar 1990 trafen sich die Lokomotivführer in Halle unter abenteuerlichen Bedingungen, um den Grundstein für die GDL-Ost zu legen. Noch am selben Tag wurde der Gründungsvorstand gewählt, und wenige Wochen später, am 9. Februar, erschien die erste Ausgabe der Mitgliederzeitschrift „Flügelrad“. Innerhalb weniger Monate stieg der Organisationsgrad der GDL-Ost auf beeindruckende 80 Prozent – ein klares Zeichen des Rückhalts und der Notwendigkeit einer freien Gewerkschaft für die Lokomotivführer der Deutschen Reichsbahn (DR).
Basisdemokratie und transparente Strukturen
Die GDL-Ost setzte von Anfang an auf Basisdemokratie und transparente Strukturen. Bereits bei ihrer ersten Generalversammlung am 3. und 4. Juli 1990 in Halle zeigte sich die Stärke der Organisation: 189 Delegierte verabschiedeten eine Satzung und rund 100 Anträge, die die Richtung der Gewerkschaft vorgaben. Gleichzeitig war die GDL-Ost maßgeblich an der Demokratisierung der DDR-Strukturen beteiligt.
Besonders erwähnenswert ist der Erfolg bei den Personalratswahlen im September 1990, bei denen die GDL-Ost 78,7 Prozent der Stimmen erhielt. Mit diesen Erfolgen im Rücken konnte die GDL-Ost erste Tarifverträge durchsetzen und erreichte beispielsweise, dass Gehälter der Lokomotivführer pünktlich zur Währungsunion am 1. Juli 1990 im Verhältnis 1:1 umgerechnet wurden.
Beginn einer neuen Ära
Die Bedeutung dieses historischen Meilensteins kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Innerhalb weniger Monate schlossen sich über 80 Prozent der ostdeutschen Lokomotivführer der GDL an. Damit setzten sie ein klares Zeichen gegen den Automatismus, der die übrigen Eisenbahner in die Nachfolgeorganisation der FDGB-Gewerkschaft, die GDED, zwang.
„Dieser Tag markierte den Beginn einer neuen Ära, nicht nur für die GDL, sondern für die gesamte Gewerkschaftsbewegung in Deutschland“, betont Reiß. „Erst durch die ostdeutschen Kollegen wurde die GDL zu einer durchsetzungsfähigen Kraft, da Lokomotivführer in den alten Bundesländern als Beamte keine Streikrechte hatten.“
Aktuelle Herausforderungen: Tarifeinheitsgesetz und Gewerkschaftsfreiheit
Der 35. Jahrestag wirft auch ein Licht auf aktuelle Entwicklungen. „Wenn heute versucht wird, mit einem Tarifeinheitsgesetz die gewerkschaftliche Freiheit und Vielfalt einzuschränken, zeigt das, wie wichtig unsere damalige Entscheidung war“, so Mario Reiß. „Ein solches Gesetz greift in die verfassungsrechtlich garantierte Koalitionsfreiheit ein und nimmt den Arbeitnehmern das Recht, ihre Arbeitsbedingungen eigenständig zu fördern.“
Reiß macht deutlich: „Der Streik der Eisenbahner darf nicht als Vorwand dienen, um in die Koalitionsfreiheit einzugreifen. Wer die Bahn privatisiert hat, muss auch die Konsequenzen akzeptieren, einschließlich möglicher Streiks.
Die GDL fordert daher von den Kandidaten zur Bundestagswahl 2025 und politischen Gremien, die gewerkschaftliche Vielfalt und Freiheit zu achten und zu stärken, anstatt sie durch gesetzliche Regulierungen zu beschneiden.