Bayern
DB Cargo AG - Lokführer zu verschenken
Frisch ausgebildete Lokführer zu verschenken
Schafft die DB Cargo AG sich ab?
Wer hätte das gedacht: Jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen dreht jeden Stein um, um irgendwo noch einen Lokomotivführer zu finden. Doch die beiden bayerischen Cargobetriebe in München und in Nürnberg sind hier anders unterwegs und bauen sogar rund 180, zum Teil sehr frisch ausgebildete Lokomotivführer, ab.
Ein mit dem Gesamtbetriebsrat in Mainz ausgehandelter Interessenausgleich und ein Sozialplan liegen in den Betrieben auf dem Tisch. „Missmanagement, ein zu großer Wasserkopf und nach EU-Verständnis rechtszweifelhafte Subventionen durch den Konzern, sowie die Preisanpassungen gegenüber den Güterverkehrskunden gaben unter anderem den Ausschlag bei der DB Cargo
AG, auch in anderen Bundesländern“, so der GDL-Bezirksvorsitzende von Bayern, Uwe Böhm.
Auf der Grundlage der in den beiden Cargo-Betrieben geltenden Tarifverträge und mit der mehrheitlichen Zustimmung der örtlichen Betriebsräte, sollen die Lokomotivführer nun hyperflexibilisiert werden. Die Arbeit soll künftig mit weniger Eisenbahnern bewältigt werden. Dazu kommen Fremdvergaben an andere Eisenbahngüterverkehrsunternehmen. Der Wasserkopf bei der DBCargo
aber bleibt überbordend. Der Personalabbau wird fern jeder Personalplanung betrieben, denn bis heute wurde den Betriebsräten nicht einmal ein Leistungsvolumen zu Grunde gelegt, aus dem sich der reale Bedarf an Mitarbeitern der einzelnen Berufsgruppen ableiten ließe. Man baut also beispielsweise erst einmal Lokomotivführer ab, um hinterher zu schauen, wie viele Züge man damit noch fahren kann.
Bevor der Interessenausgleich geschrieben wurde, betrug das Verhältnis 40 Prozent im Overhead zu 60 Prozent beim operativen Personal. Zum operativen Personal zählen neben den Lokomotivführern beispielsweise auch Wagenmeister, Rangierer und Disponenten. In allen produktiven Bereichen wird abgebaut. Völlig unverständlich, denn auch in den letzten Monaten konnten immer wieder Güterzüge wegen Mangel an Mitarbeitern nicht aus den Zugbildungsanlagen abfahren, weil beispielsweise Wagenmeister fehlten. Nachdem nun das operative Personal weiter abgebaut wird, liegt der Anteil des Overheads immer noch bei 40 Prozent. „Die Häuptlinge entlassen ihre Indianer und werden irgendwann einmal alleine am Lagerfeuer sitzen“, so Uwe Böhm weiter.
Wenn man dieses Handeln von außen betrachtet, dann sieht das Ganze aus wie eine Fachkräftebeschaffungsmaßnahme für die DB Regio- und die DB Fernverkehr AG. Vor allem für die DB Regio AG kommt das sicher gelegen, weil auch hier Zugausfälle aufgrund fehlender Lokomotivführer nicht nur zu verständlichem Unmut bei den Reisenden führen, sondern auch Strafzahlungen an die Bayerische Eisenbahngesellschaft zur Folge haben.
Nach jetziger Schätzung werden aber rund zwölf Prozent der betroffenen Lokomotivführer den DB-Konzern und zum Teil den Eisenbahnverkehrsmarkt sogar ganz verlassen. Die Stimmung in den Betrieben ist schon seit Monaten mies. Der Personalabbau ist also im Gange und selbst Lokomotivführer mit umfassender Fahrzeugbaureihen- und Streckenkenntnis sowie Auslandsbefähigung bekommen Abfindungsangebote. Für noch abwartende Kolleginnen und Kollegen kommt dann der Sozialplan zur Anwendung. Dieser betrifft vor allem auch die Lokomotivführer, die erst in den Jahren 2022 bis 2024 ausgebildet wurden.
Uwe Böhm kritisiert das Vorgehen des bundeseigenen Unternehmens und reagiert mit Unverständnis, weil die DB Cargo sich mit dieser Maßnahme nun offenbar ganz offiziell von der Verkehrswende abmeldet. Die Verkehrswende war ein politisches Ziel der Bundesregierung. Demzufolge sollte der Anteil des Schienengüterverkehrs, gemessen am gesamten Güterverkehrsaufkommen in Deutschland, bis zum Jahr 2030 auf 25 Prozent gesteigert werden. Heute liegt der Anteil bei 19 Prozent.
Mit zahlreichen glücklosen Projekten innerhalb von DB Cargo hat es das experimentierfreudige Management geschafft, dass die Verkehrsleistung bei DB Cargo in elf Jahren um 18 Milliarden Tonnenkilometern (tkm) gesunken ist, von 75 Mrd. tkm in 2013, auf 57 Mrd. tkm in 2023. (Quelle: statista.com). Die Verkehrsleistung im gesamten Schienengüterverkehr ist im gleichen Zeitraum aber um 22 Mrd. tkm gestiegen, von 113 auf 135 Mrd. tkm. Während die Verkehrsleistung bei DB Cargo also um 24 Prozent gesunken ist, ist der Schienengüterverkehrsmarkt insgesamt um 19 Prozent gewachsen. „Das Verhältnis wird sich in Zukunft wohl kaum verbessern, denn wer sich selbst die Füße wegschlägt, gewinnt bekanntermaßen keinen Ausdauerlauf“, so Böhm. „Was helfen würde, wäre bei künftigen Entscheidungen, mehr auf die Kompetenz an den Produktionsstandorten zu setzen, statt sich im Elfenbeinturm von Beraterfirmen erklären zu lassen, wie Schienengüterverkehr (nicht) funktioniert“.