Krise bei DB Cargo

Abwicklung statt Sanierung?

Die Führung von DB Cargo lässt die Öffentlichkeit, und vor allem die eigenen Mitarbeiter, über die Zukunft des Unternehmens bewusst im Unklaren. Die GDL rät allen dort beschäftigten Eisenbahnern, ihre Geschicke in die eigenen Hände zu nehmen - gerne unter Hinzuziehung der GDL-Betriebsräte.

Am Beispiel der DB Cargo AG lässt sich in Echtzeit beobachten, wie ein Unternehmen ungebremst gegen die Wand gefahren wird. So verzeichnete die Güterverkehrssparte der Deutschen Bahn im ersten Halbjahr 2024 einen Verlust von 261 Millionen Euro, das sind 66 Millionen Euro mehr als in den ersten sechs Monaten 2023 – eine niederschmetternde Bilanz! Doch das ist anscheinend noch nicht der Endpunkt einer jahrelangen wirtschaftlichen Talfahrt aufgrund unternehmerischer Fehlentscheidungen.

Kein Ausgleich mehr durch die DB AG

Bisher hat stets die Deutsche Bahn AG die selbstverschuldeten Verluste ihrer Güterverkehrstochter ausgeglichen. Auf diese Weise sind alleine in den Jahren 2012 bis 2021 mindestens 1,9 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen von der Konzernmutter an die Konzerntochter DB Cargo geflossen. Doch damit ist nun offensichtlich Schluss: Die EU-Kommission hat entschieden, dass die Verluste von DB Cargo künftig nicht mehr vom Mutterkonzern ausgeglichen werden dürfen. Ab Januar 2025, so Brüssel, muss DB Cargo ohne Hilfen des Bundes und auch ohne den Umweg über der Finanzierungskreisläufe innerhalb der DB AG wirtschaftlich rentabel sein. Schafft es das Unternehmen, seinen selbst erstellten Sanierungsplan zu erfüllen und bis Ende 2026 nachzuweisen, „langfristig rentabel“ zu sein, stuft die Kommission die geleisteten Subventionen von 1,9 Milliarden Euro nachträglich als zulässige Umstrukturierungsbeihilfe ein.

Doppelt so hoher Stellenabbau wie angekündigt

DB Cargo hat also zunächst etwas Überlebenszeit bis Ende 2026 bekommen und soll nun einen Transformationsprozess hin zu einem wirtschaftlich tragfähigen Unternehmen nachweisen. Das von Brüssel akzeptierte Paket zur Transformation besteht aus verschiedenen Teilen. So treten ab dem 1. Januar 2025 umfassende organisatorische Änderungen in Kraft. DB Cargo wird in fünf kleinere Einheiten aufgeteilt. Diese Einheiten sollen wie mittelständische Unternehmen agieren und eigenverantwortlich im Wettbewerb bestehen.

Darüber hinaus hat Cargo-Vorständin Sigrid Nikutta, kreativ zwar in der Selbstdarstellung, nicht aber in der Krisenbewältigung, einen weiteren massiven Stellenabbau angekündigt. War im letzten Jahr noch von 2 300 Mitarbeitern die Rede, sollen nun rund 5 000 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen – mehr als doppelt so viel wie ursprünglich angekündigt. Aber auch das scheint nur die halbe Wahrheit und mutmaßlich der Anfang einer völligen Zerschlagung der bundeseigenen DB Cargo zu sein, denn weitergehende Planungen sprechen von Verkaufsplänen. Das Tafelsilber wird verscherbelt – so werden beispielsweise Lokomotiven verkauft und sollen dann später, bei Bedarf, wieder angemietet werden.

Versagen der Führungskräfte zulasten der Mitarbeiter

„Der Vorgang illustriert auf geradezu exemplarische Weise das Versagen der Führungskräfte nicht nur bei DB Cargo, sondern im Gesamtkonzern,“ so der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Mario Reiß. „Es steht zu befürchten, dass die nun im Güterverkehr einsetzende Umstrukturierung und der massenhafte Stellenabbau nur Vorboten dessen sind, was in naher Zukunft auch die Mitarbeiter der anderen Konzerngesellschaften ereilen kann. Es braucht eine grundlegende Konzernumwandlung. Dieses Konstrukt einer Aktiengesellschaft führte über die letzten 20 Jahre in das heutige Desaster. Verantworten will diesen Aderlass aber weder der Eigentümer Bund noch der Vorstand, der sich selbst in diesen anspruchsvollen Zeiten noch selbst üppige Boni genehmigt.“

Abwicklung statt Sanierung?

Für die GDL besteht daher die Gefahr, dass DB Cargo nicht saniert, sondern durch die Hintertür abgewickelt und so dem Zugriff der EU-Kommission entzogen werden soll. „Anders ist für uns die Vorgehensweise der Konzernleitung nicht zu erklären“, so Mario Reiß. „So werden beispielsweise Lokomotivführer zum Jahreswechsel von der Arbeit freigestellt, obwohl an anderer Stelle bei DB Cargo und bei weiteren Unternehmen aufgrund von Personalmangel die Züge stehen bleiben müssen. Auch bei DB InfraGO gibt es freie Stellen, die aber lieber durch externe Bewerber gefüllt werden, als diese mit eisenbahnerfahrenen Bestandsarbeitnehmern zu besetzen. Die derzeit bekannten ersten Schritte des Managements sehen eher nach Teilverkauf als nach einer nachhaltigen Sanierung aus. Am Ende könnte nur noch ein nicht betriebsfähiges Fragment oder nur eine Logistikfirma mit Assetmanagement übrigbleiben. Auch dann müsste man die 1,9 Milliarden Euro nicht an die Europäische Union zurückzahlen.“

Geschicke selbst in die Hand nehmen

Fakt ist: Die GDL wird nicht hinnehmen, dass erneut das direkte Personal zum Bauernopfer einer desaströsen Unternehmenspolitik wird, verursacht von unfähigen, eisenbahnfernen Führungskräften. „Wir haben mit rund 60 Eisenbahnverkehrsunternehmen eine gute Tarif- und Sozialpartnerschaft“, so Reiß. „Diese Unternehmen haben hervorragende Lebens- und Arbeitsbedingungen für die Eisenbahner mit der GDL vereinbart. Sie suchen dringend Mitarbeiter, bieten oftmals wohnortnahe Arbeitsplätze und versuchen nicht, ihre Arbeitnehmer mittels Tarifeinheitsgesetz umzuerziehen.“
Und weiter: „Niemand muss bei diesem miesen Spiel der Arbeitgeber auf der Strecke bleiben. Daher raten wir den betroffenen Eisenbahnern bei DB Cargo, ihre weiteren Geschicke selbst in die Hand zu nehmen und ihre berufliche Zukunft neu zu überdenken. In den Betrieben können sich die Kollegen an die GDL-Betriebsräte wenden.“

Pressemitteilung

 

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