Die Debatte über die Zukunft des Bahnsystems hat wieder an Fahrt aufgenommen. Ideen der Ampelverhandler von Grünen und FDP für eine stärkere Separierung von Infrastruktur- und Transportgesellschaften des DB-Konzerns prallen ungebremst auf eine totale Verweigerungshaltung der SPD.
Sie will offenbar gar keine Änderungen am bestehenden Modell zulassen. Die mit ihr eng verbundene Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) schürt derweil unbegründete Ängste vor Beschäftigungsverlust. Beide erweisen damit dem Klimaschutz durch mehr Eisenbahnverkehr einen Bärendienst.
Die Eisenbahnverbände NEE, mofair und ALLRAIL, der Fahrgastverband Pro Bahn sowie die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) fordern dagegen, die Infrastrukturgesellschaften des DB-Konzerns (Gleisnetz, Stationen und Bahnstromnetz) von ihrem heutigen Gewinnerzielungszwang zu befreien. Künftig sollen sie klar auf Qualität und Kundenorientierung hin gesteuert werden. Diesen Ansatz hatten sie schon im August in einem gemeinsamen Positionspapier erhoben.
„Um die Verkehrswende zu erreichen, benötigen wir dringend Innovation und ein Umdenken in der Schieneninfrastruktur. Jahrelang haben wir von der Schieneninfrastruktur verlangt, Geld durch hohe Trassenpreise zu verdienen. Von keinem anderen Verkehrsträger verlangen wir dies. Es wird Zeit, der Schiene Vorrang zu geben und daher die Infrastruktur ausschließlich nach Qualitätskriterien und Kundenzentrierung zu führen. Dies bedingt zwingend, sie von den DB-Transporteuren zu entflechten und so für Transparenz zu sorgen. Dafür werden mehr statt weniger Beschäftigte benötigt – eine Angst vor Arbeitsplatzverlust in einer anderen Organisationsform ist daher völlig abwegig. Das Schüren von Angst ist ein beliebtes Mittel, um Veränderungen zu verhindern und Innovationen zu bremsen.“
„Unser Vorschlagspaket, wie die DB-Infrastrukturen effizient und als Instrument der Verkehrswende gesteuert werden können, liegt auf dem Tisch. Wenn das Herz der SPD daran hängt, kann das sogar innerhalb des DB-Konzerns realisiert werden. 49 Prozent der Deutschen haben sich einer Umfrage in der vergangenen Woche zufolge für ein Zwei-Säulen-Modell ausgesprochen. Die Ampel muss sich im Klaren sein, dass spätestens ab dem neuen Jahr alle Hiobsbotschaften aus dem Bahnbetrieb an ihre Adresse gehen.“
„Der Marktanteil der Eisenbahn im grenzüberschreitenden Personenverkehr ist weiterhin viel zu gering – zulasten der EU-Klimaziele. Als eine der Hauptlösungen braucht Europa auf Verkehrssteigerung ausgerichtete, am Gemeinwohl orientierte Schieneninfrastrukturunternehmen. Durch den Mehrverkehr auf der Schiene würde es keine Beschäftigungsverluste geben, sondern im Gegenteil: Neue Jobs würden entstehen. Ineffiziente integrierte Konzerne in den Nationalstaaten stehen im Widerspruch zum einheitlichen europäischen Eisenbahnraum der Zukunft.“
„Wer einmal erlebt hat, wie effizient eine bayerische Autobahndirektion arbeitet und mit welchem Tempo sie baut, der weiß: Für den unbedingt notwendigen nachhaltigen Infrastrukturausbau auf der Schiene brauchen wir eine am Gemeinwohl orientierte bundeseigene Eisenbahninfrastruktur. Diese braucht die richtigen Vorgaben und Ziele. Das ist das Gegenteil von neoliberal – der Staat würde endlich seine direkte Verantwortung für das Schienennetz in die Hand nehmen und auf Gewinne aus der Infrastruktur verzichten. Nur so kann der Schienensektor seinen Beitrag zum Klimawandel liefern.“
„Mehdorns Börsenvehikel hat längst ausgedient, und trotzdem ist der DB Vorstand zusammen mit seiner EVG noch immer damit unterwegs. Jeden Tag aufs Neue wird der Beweis angetreten, dass die gesamte Infrastruktur des Eisenbahnsystems weder auf Pünktlichkeit noch auf Zuverlässigkeit, geschweige denn auf Gemeinwohl und mehr Verkehr ausgerichtet ist. Die SPD hat schon in der Großen Koalition versagt und stemmt sich erneut gegen jede Veränderung. Ein weiter so kann und darf es jedoch nicht geben, denn gegen den Klimawandel hilft nur eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene. Deshalb muss die Infrastruktur komplett neu ausgerichtet, also aus dem Aktienrecht und der Gewinnabführung entlassen werden. Das Herzstück des Eisenbahnsystems gehört weder dem DB Vorstand noch der EVG, sondern ist Allgemeingut im Eigentum des Bundes und muss mit Milliarden an Steuergeldern zukunftstauglich gemacht werden. Deshalb darf auch die SPD dem Fortschritt nicht länger im Wege stehen!“
Im August dieses Jahres hatte das breite Verbändebündnis fünf Positionen für eine Bahnreform II vorgestellt:
Das Bündnis betont dabei, dass „Eisenbahn“ in Deutschland sehr viel mehr ist als nur die „Deutsche Bahn“ (oder gar die „Bundesbahn“). Der Sektor umfasst auch die Wettbewerbsbahnen, die Aufgabenträger, die Bahnindustrie, die Gewerkschaften, Verbraucher- und Fahrgastverbände, das Logistikwesen sowie Verlader und Zulieferer.
Den Einwand, eine Strukturdiskussion würde das Eisenbahnsystem auf Jahre lähmen, kontern sie mit der Überzeugung, dass Reformbedarf angesichts von unbefriedigender Qualität und von über 32 Milliarden Euro Verschuldung des DB-Konzerns ohnehin auf der Tagesordnung steht. Besser jetzt Reformen angehen als weiter zuwarten, bis es zu spät ist.
Mehr zum Thema 'DBAG'
Studie zu kritischen Ereignissen im Bahnverkehr: Beteiligung erwünscht!