Unstrittige Maßnahmen zum Ausbau der Schiene hängen in der Bundesregierung fest, weil nach dem Willen der FDP auch der Neubau von Autobahnen beschleunigt werden soll. Dem hat heute ein Zusammenschluss aus Schienen- und Güterverkehrsverbänden in einem gemeinsamen Pressetermin vehement widersprochen.
„Mittlerweile sind wir so weit, dass der Bundesverkehrsminister den Schienengüterverkehr kleinredet, um den Neubau von Straßen zu legitimieren. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Bei der Schiene müssen wir alles beschleunigen, bei der Straße nur die Sanierung“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege. Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbands DIE GÜTERBAHNEN, forderte die Ampel auf, die zu einem Problembündel von Forderungen und Gegenforderungen aufgeblähte Debatte wieder zu zerlegen. „Die Uhr tickt. Um den unstrittigen Schienenausbau zu beschleunigen, reichen der Koalitionsvertrag und das Ergebnis der Beschleunigungskommission Schiene. Die 70 Vorschläge lässt Wissing seit knapp zwei Monaten liegen.“
Westenberger hob außerdem die Leistungen des Schienengüterverkehrs unter erschwerten Bedingungen hervor: „Die GÜTERBAHNEN haben in der Corona- und der Energiekrise geliefert. Leistung und Anteil am Güterverkehr liegen deutlich höher als vor Corona. Von zurzeit rund 20 Prozent halten unsere Unternehmen ein Wachstum auf 35 Prozent bis 2035 für möglich, wenn der Bund seine Hausaufgaben bei Infrastruktur und Rahmenbedingungen macht. Dann wären 10 bis 15 Prozent weniger Lkw als heute auf den Straßen unterwegs. Es braucht keinen Autobahnneubau, um Güterverkehrswachstum zu bewältigen.“
Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky bekräftigte die Notwendigkeit, den in Jahrzehnten straßenorientierter Infrastrukturpolitik größer gewordenen Kapazitätsvorsprung der Straße durch einen beschleunigten und bevorrechtigten Ausbau des Schienennetzes und beherzte Modernisierung des bestehenden Netzes aufzuholen. Weselsky: „Es gilt jetzt mehr denn je: alle Augen auf die Schiene, um die politischen Ziele zu erreichen. Die Ressourcen – in der Planung, Genehmigung, bei den Gerichten und im Verkehrswegebau – müssen prioritär bei der Schiene eingesetzt werden.“
Für Prof. Dr. Matthias Gather von der FH Erfurt ist der Straßengüterverkehr der „blinde Fleck der deutschen Verkehrspolitik“. Hier sind in den letzten Jahren abgesehen von leichten Modifizierungen der Lkw Maut keine aktiven Versuche unternommen worden, Anreize für eine Verlagerung der Güter auf die Schiene zu schaffen. Gather: „Das Beispiel Österreich zeigt, dass bei einer aktiven Verkehrspolitik mit einem klaren Fokus auf der Schiene ein Schienenverkehrsanteil von über 30 Prozent am Transportmarkt nicht unrealistisch ist. Ein weiterer Ausbau des Straßennetzes löst aber keines der Probleme im Straßengüterverkehr.“
Malte Lawrenz, Vorsitzender des Güterwagenhalterverbandes VPI betonte die Bedeutung von Verlässlichkeit der Politik: „Die Äußerungen des Bundesverkehrsministers zur künftigen Leistungsfähigkeit der Schiene sind bedauerlich und demotivierend. In zahlreichen Masterplänen und zuletzt durch die vom Verkehrsminister berufene Beschleunigungskommission Schiene wurde aufgezeigt, wie die Schiene ertüchtigt werden kann – das Wissen ist da. Der Schienengüterverkehr hat noch enorme Leistungsreserven, die durch gezielte Modernisierung gehoben werden können.“
Flege ergänzte: „Im Koalitionsvertrag waren sich alle einig, dass die Schiene beschleunigt ausgebaut werden soll, Straßen hingegen wurden nicht genannt. Durch seine Fixierung auf neue Autobahnen verursacht Bundesverkehrsminister Volker Wissing koalitionsinternen Streit. Dadurch wird der beschleunigte Schienenausbau, der längst hätte auf den Weg gebracht werden können, ausgebremst. Diese Blockade verschärft die Probleme bei der Verkehrsinfrastruktur weiter, statt sie zu lösen.“
Mehr zum Thema 'DBAG'
Studie zu kritischen Ereignissen im Bahnverkehr: Beteiligung erwünscht!