GDL-Bezirk Nord-Ost
Aber die sich durch die Pandemie ausweitende Wirtschaftsbremse löst auch andere, zu berücksichtigende Effekte aus. Wie aktuell in der sächsischen Zeitung von Matthias Koch unter dem Titel „Inflation: Das Monster kehrt zurück“ beschrieben, werden langfristig die verursachten Nachfragebedarfe eine rasant ansteigende Preissteigerung nach sich ziehen. Aktuell entwickeln sich „kuriose Kurven“ im Preisvergleich. So stellt man unter anderem fest, dass sich die Frachttransporte auf Grund der steigenden Nachfrage derzeit mehr als verdoppeln. Ein Containertransport der zur Überführung als Seefracht vor kurzem noch für 1500 Dollar übers Meer schipperte ruft inzwischen 4000 Dollar Transportkosten ab.
Indes steigen fast unbemerkt alle Konsumpreise. Rohstoffe werden teurer und die Produktionspreise klettern nach oben. Der Verbraucher merkt das meist schleppend und schimpft über die steigenden Benzinpreise an den Tankstellen, bevor er die neue Rechnung des Energieanbieters mit den angezogenen Strom- oder Gaspreisen bekommt. Der wöchentliche Einkauf bei dem Lebensmitteldiscounter ist plötzlich nicht mehr mit 120,-€ erledigt, sondern kostet trotz aller Einschränkung schon mal 150 Euro. Diese derzeit langsam spürbare Teuerungsrat ist (bestätigt durch unterschiedlichste Experten auf diesem Gebiet) der Beginn einer verständlich einsetzenden Inflation.
Das Phänomen dieser Entwicklung ist, dass viele dieser Preiserhöhungen auf die ansteigenden Nachfragen zurückzuführen sind und genau dieser Anstieg an Nachfrage die Produktion und den Transport, die Anforderung an die zu leistende Arbeit steigen lassen.
Einfach ausgedrückt, die Chancen auf „Besserung“ bringen bei den unterschiedlichsten Wirtschaftskreisen die entsprechend schnell reagieren können, auch sehr schnell hohe Gewinne ein.
Beispielsweise hat gerade Mercedes für das Pandemiejahr 2020 einen sehr positiven Jahresabschluss vermeldet, weniger Autos verkauft und über 40% mehr Umsatz gemacht als im Vorjahr! Weitergehende Meldung: „…Mitten in der Corona-Krise schraubt der Konzern seine Renditeziele deutlich nach oben. Schon in diesem Jahr will man in Stuttgart in etwa wieder dorthin kommen, wo man jahrelang war...“
In den nun kommenden Zeiten, die für die Konzerne eine regelrechte Startstimmung in Richtung rasant steigender Umsätze versprechen, dürfen sich die Kunden, die besten
Gedanken zu Wirtschaftsentwicklung – Corona und falsches Verständnis von Gewerkschaften
Falls Arbeitnehmer sind, auf stetig steigende Preise in der Entwicklung der nächsten Jahre einrichten!
Aber zeitgleich kommt auch eine andere Botschaft aus den Unternehmens- und Managerkreisen. Unter der Überschrift „…es kommen harte Jahre auf uns zu und wir müssen rationeller arbeiten um mithalten zu können…“ verpackt man die Botschaft, dass man einen steigenden Beitrag von den Mitarbeitenden erwartet, um die Umsatzkurve wie gewünscht, möglichst schnell zu erhöhen.
Da gibt es einige, die nicken nun tatsächlich verständnisvoll mit dem Kopf, weil es schon fast einleuchtend scheint, dass nicht nur ich als Arbeitnehmer die steigenden „Spritpreise“ an der Tankstelle zahle, sondern mein Unternehmer und mein Unternehmen auch!
…und da ist der Fehler im System. Der Verbraucher, der Arbeitnehmer, der Normalo kann sich gegen die steigenden Preise und die sogenannte Inflation nicht absichern. Diejenigen, die am wenigsten haben in unserer Gesellschaft, leiden am stärksten unter solch inflationären Einflüssen. Diejenigen, die als Konzerne über „Umsatzeinbußen“ reden, erhalten besten Falles staatliche Hilfen und Rettungsschirme und machen mit dem „Break-Even“ und dem Start ins kommende Wirtschaftswachstum schneller zu erzielende und vermeintlich größere Gewinne.
Hier braucht es also ein Ausgleichgewicht zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer, damit wir am Ende nicht über Gewinner und Verlierer reden müssen.
Es ist die wichtigste Aufgabe einer Gewerkschaft hier rechtzeitig steigende Belastungen für die Beschäftigten zu erkennen und für einen vertretbaren Risikoabgleich zu sorgen. In dieser Rolle ist eine Gewerkschaft in den Augen des Unternehmens indirekt ein „Hemmschuh“ für den oben beschriebenen Entwicklungsplan. Leider hat sich auch in Deutschland inzwischen eine falsch verstandene Harmonie eingestellt, die vor allen von Gewerkschaftern geprägt ist, die zuhauf Verständnis für Unternehmen und Unternehmer haben und gleichermaßen eine Vertretung für die Arbeitnehmer auf Betriebsversammlungen heucheln. Es ist für manchen Interessenvertreter angenehmer mit dem CIO oder dem Vorstand der Firma friedlich in abendlicher Runde bei einem guten Glas Rotwein über die doch so bedrohlichen Umsatzzahlen zu fabulieren. Oftmals entstehen hier für den einzelnen unbemerkte Beziehungen, die dann die Regeln von Geben und Nehmen etwas verschieben. Im Ergebnis wird eine weitere Spreizung zwischen „Gewinner und Verlierer“ befördert. Wir kennen viele solcher Negativbeispiele und einzelne Gewerkschaftsvertreter die deshalb den Namen „Gewerkschafter“ nicht verdienen.
Insofern ist es gerade in der jetzt so schwierigen Zeit wichtig, dass die Triebkraft der wirtschaftlichen Entwicklung, dass die Beschäftigten mitgenommen werden und die Auswüchse dieser durchschlagenden Inflation möglichst erträglich abgefedert werden. Hier steckt die nicht zu unterschätzende Verantwortung einer Gewerkschaft.
Wenn nun eine Inflationsrate von mindestens 3% für 2021 prognostiziert wird und wegen der schweren Folgen aus den letzten Monaten offensichtlich über die nächsten weiteren drei Jahre diese Inflationsentwicklung kaum zu bremsen sein wird, müssen sich doch
Gedanken zu Wirtschaftsentwicklung – Corona und falsches Verständnis von Gewerkschaften
verantwortliche Gewerkschafter zumindest auf den Weg machen, um eine notwendige Tarifanpassung für die Arbeitnehmer einzufordern und notfalls zu erkämpfen. Die nunmehr bekannte Inflationsrat von drei Prozent sagt auch aus, dass jede Tariferhöhung unter 3% / Jahr einen Tarifverlust für den Beschäftigten beschreibt. Unter dem Aspekt von einer gewünschten konjunkturankurbelnden Kaufkraft, ist eine negative Tarifentwicklung aber in mehreren sich auswirkenden Ebenen zu betrachten.
Matthias Koch urteilt deshalb völlig korrekt in der sächsischen Zeitung: „…3 Prozent – das hört sich nicht nach viel an. Doch es bedeutet auch: Jeder, der nicht in diesem Jahr auch sein Einkommen um 3 Prozent zu steigern vermag, steht am Ende des Jahres mit weniger Kaufkraft da – ein bisschen ärmer. „Aufpassen, das Monster Inflation kehrt zurück“
Es ist also gesamtwirtschaftlich von Bedeutung, ob sich die treibende Kraft der Wirtschaft, was derzeit immer noch die Arbeitnehmer sind, sich nicht abgehangen fühlen muss, den Geldbeutel enger schnürt und sich schlimmsten Falles nach einem lohnenswerteren Job bemüht.
Es wird also auch fast nebenbei ein stärkeres Ranking entstehen, welches Unternehmen bei steigenden Preisen den lohnenden Job anbietet! Ohne hier von einer gewissen Marktregulierung sprechen zu wollen kommt damit die Deutsche Bahn in ein Dilemma.
Jahrelanger Personalabbau ruft aktuell jährlich Einstellungszahlen auf, die nur zu bedienen sind, wenn man attraktivere Gehälter bei möglichst guten Arbeitsbedingungen bieten kann.
Es ist fatal genau vor diesem „Einstellungszwang“ die Botschaft zu senden, dass die Bahn hier in den nächsten Jahren den Mitarbeitern über fehlende Lohnanpassungen im Kontext der Inflationsrate ca. 10-15% weniger an Entgelt zahlen will. Hinter solchen Aussagen versteckt sich ohne jedes Zutun eine Einstellungsbremse, die wir nicht verkraften werden. Die fehlerhafte Personalpolitik der letzten 25 Jahre hat dazu geführt, das in den kommenden Jahren weit über Hunderttausend qualifizierte Eisenbahner die Bahn altersbedingt verlassen. In diesem Moment von einer beschäftigungssichernden Mitarbeiterbeteiligung zu reden ist schlichtweg verantwortungslos und ignorant.
So gesehen, ist eine Gewerkschaft, die tatsächlich im Interesse der Eisenbahner handelt, die auch die Entwicklung des Unternehmens im Blick hat, in der natürlichen Pflicht Tarifforderungen über 3% zu treiben!
Mario Reiß